Ashtavakra Gita

ashtavakra

Geschichtlicher Hintergrund

Die Ashtavakra Gita ist ein tiefgründiges Gespräch zwischen Ashtavakra und König Janak. Über ihre Entstehung ist wenig bekannt. Sie gilt in Fachkreisen als eine Abhandlung über Advaita Vedanta und wurde außerhalb des Mahabharata überliefert. Sein Name bedeutet wörtlich „acht Missbildungen“ und spiegelt die acht körperlichen Missbildungen wider, mit denen Ashtavakra geboren wurde.

Sein Großvater mütterlicherseits war der vedische Weise Aruni, seine Eltern waren beide vedische Schüler an Arunis Schule. Ashtavakra war ein Brahmane, der Sohn von Kahoda, dessen Geschichte in der Mahabharata erzählt wird.

Videoübersicht

Die Gitas

 

1.
Das Wissen vom Selbst

 

König Janak fragte:
Wie kann Erkenntnis entstehen? Wie kann Erlösung sein?
Wie ist Entsagung möglich? – Davon sprich zu mir, Oh Herr.

Ashtavakra antwortete:
Wenn du nach Erlösung suchst, dann meide die Sinnesgenüsse wie Gift und trinke Vergebung,
Offenheit, Güte, Zufriedenheit und Wahrhaftigkeit wie Nektar.

Du bist weder Erde noch Wasser, Feuer, Wind oder Raum.
Um Erlösung zu erreichen, erkenne das Selbst als das eine, ewige Bewußtsein, als der Zeuge aller Erscheinungen.

Befreit von der Identifikation mit dem Körperlichen und im Selbst ruhend,
wirst du im gleichen Moment glücklich, zufrieden und frei von allen Bindungen sein.

Dann bist du weder dies noch das, weder alt noch jung.
Kein Auge wird dich sehen, keine Hand berühren.
Formlos und ewiger Zeuge von allem, sei selig.
Tugend und Sünde, Freude und Leid erscheinen dem Denken, aber nicht dir.
Du bist weder ein Handelnder noch ein Genießer.
Wahrlich, du bist ewig frei.

Du bist das eine ungebundene Bewußtsein.
Deine einzige Bindung besteht darin, daß du dich selbst als etwas anderes siehst.

So hat dich die große dunkle Schlange des Egoismus gebissen und mit der Illusion „Ich bin der Handelnde!“ vergiftet.
Trinke nun vertrauensvoll das Gegengift „Ich bin es nicht, der handelt!“ und sei selig.

Verbrenne das Dickicht der Unwissenheit mit dem Feuer der Erkenntnis
„Ich bin das eine ewigreine Bewußtsein!“ und vom Leiden befreit sei selig.

Bewußtsein, Seligkeit, Höchste Seligkeit, das bist du, worin dieses ganze Weltall erscheint,
wie ein Stück Seil als eine gefährliche Schlange.
Erkenne dies und sei selig.

 

Es ist wohl wahr, wenn die Leute sagen „Du bist, was du denkst!“.
Wer sich gebunden sieht, ist wirklich gebunden.
Wer sich frei erkennt, ist wahrlich frei.

Du bist das eine Selbst, der ewige Zeuge, alldurchdringend, vollkommen, alleinsam, frei, bewußt, untätig, ungebunden, wunschlos und still.
Nur durch die Macht der Illusion erscheinst du in der Welt und im Rad der Geburten.

Gib die Identifikation mit den inneren und äußeren Erscheinungen zusammen mit der Illusion von „Mein und Dein“ auf.
Meditiere über das Selbst als unveränderliches, reines Bewußtsein jenseits aller Gegensätze.

Lange warst du in der Schlinge der Körperlichkeit gefangen.
Durchschneide sie jetzt mit dem Schwert der Erkenntnis
„Ich bin das eine ewige Bewußtsein!“ und sei selig.

 

Du bist ungebunden, nichthandelnd, selbststrahlend und vollkommen rein.
Nur dein Denken bindet dich.

Du durchdringst dieses ganze Universum, und all die Welten bestehen in dir.
In Wahrheit bist du reines Bewußtsein. Öffne dich und sei selig.

 

Du bist unbedingt, unvergänglich, formlos, transzendent, unergründlich und ewig still.
Sei Bewußtsein allein.

 

Erkenne die Formen als vergänglich und das Formlose als beständig.
Durch diese Erkenntnis wird das Rad der Geburten bald vergehen.

So wie ein Spiegel mit und ohne Spiegelbild besteht,
so besteht das Höchste Selbst mit und ohne all die Körper und anderen Erscheinungen.

Wie der universale Raum innerhalb und außerhalb eines Gefäßes besteht,
so besteht das ewige alldurchdringende Brahman nahtlos in allen Dingen.

 

2.
Die Seligkeit im Selbst

 

König Janak sprach:

Wahrlich, ich bin makelloses, stilles und reines Bewußtsein jenseits aller Welten.
Die ganze Zeit hat mich nur ein Trugbild verführt.
Wie ich selbst die Körperlichkeit hervorbrachte, so entstand auch diese ganze Welt.
So glaubte ich, Körper und Welt seien mein, doch in Wahrheit besaß ich ein Nichts.
Der Welt und dem Körper entsagt, erkenne ich nun das Höchste Selbst, durch Selbsterkenntnis aufgrund der Gnade meines Lehrers.

 

So wie Wellen, Schaum und Nebel aus dem Wasser erscheinen und nichts anderes als Wasser sind,
so erscheint diese ganze Welt aus dem Selbst und ist nichts anderes als das Selbst.

 

So wie ein Gewand, wenn man es näher untersucht, nichts anderes als Faden ist, so ist auch die Welt,
tiefgründig betrachtet, nichts anderes als das Selbst.

 

So wie der Zucker aus dem süßen Saft des Zuckerrohrs kristallisiert,
und Süßigkeit den Zucker durchdringt, so hat sich die Welt in mir kristallisiert, und ich durchdringe diese Welt.

 

Die Welt erscheint aufgrund der Unwissenheit vom Selbst.
Durch Selbsterkenntnis schwindet diese Illusion,
so wie durch Unwissenheit über ein Stück Seil eine gefährliche Schlange erscheint,
und durch Erkenntnis des Seils diese Täuschung verschwindet.
Licht ist mein innerstes Wesen.
Ich bin nichts anderes als Licht.
Wenn die Welt im Licht erscheint, bin ich die Leuchte.

 

Oh! Die Welt die mich umgibt, existiert in mir durch Unwissenheit, wie Perlmutter als Silber erscheint,
das Seil als gefährliche Schlange oder eine Fata Morgana als Wasser.
Die Welt, die in mir entstanden ist, löst sich in mir wieder auf, wie der irdene Krug im feuchten Lehm,
die Welle im Ozean oder ein kunstvoller Armreifen in der Goldschmelze.

 

Oh, wunderbar, das bin Ich!
Verehrung dem Selbst, das keine Vergänglichkeit kennt und noch besteht,
wenn auch die ganze Welt, von Brahma bis zum kleinsten Grashalm, vergangen ist.

 

Oh, wunderbar, das bin Ich!
Ich verbeuge mich vor dem Selbst, welches Einheit ist,
obwohl es als Vielfalt erscheint, das nirgendwo herkommt oder hingeht, aber Alles durchdringt.

 

Oh, wunderbar, das bin Ich!
Verehrung dem Selbst! Niemand ist weiser als Ich, der die Welt für immer in sich trägt,
und sich dennoch nicht in Körperlichkeit verliert.

 

Oh, wunderbar, das bin Ich!
Willkommen dem Selbst, dem hier nichts gehört, und dem doch alles gehört,
was innerhalb des Denkens und der Sinne erscheint.
Wissen, Wissender und Gegenstand des Wissens existieren immer nur relativ zueinander.
Das, woraus diese Dreiheit durch Unwissenheit erscheint, das bin Ich, reines Bewußtsein, vollkommen makellos.

 

Oh! Alles Leiden hat seine Wurzel in der Gegensätzlichkeit.
Es gibt kein anderes Heilmittel dafür, außer der alldurchdringenden Erkenntnis von der Einheit im Selbst,
daß ich das ewige Bewußtsein bin, vollkommen rein, alleinsam und selig.
Ich bin reines Bewußtsein.
Nur durch Unwissenheit habe ich mich selbst beschränkt.
Durch beständige Meditation fand ich die Stille jenseits der Gedanken.
Für mich gibt es weder Bindung noch Freiheit.
All diese Illusion hat sich aufgelöst.

 

Oh! Selbst die Welt in mir, ist in Wahrheit nicht in mir.
Diese Welt mit allen Erscheinungen ist ein Nichts. Alles was ist, ist das reine Bewußtsein selbst.
Was könnte darüber hinaus noch sein?
Körper, Himmel und Hölle, Freiheit und Bindung, sowie alle Ängste sind bloße Gedanken.
Welchen Wert haben sie für das ewige Bewußtsein jenseits aller Illusion?

 

Oh! Ich sehe keine Gegensätze.
Selbst in der Mitte vieler Menschen verweile ich wie in der Waldeinsamkeit.
Woran könnte ich noch anhaften?
Weder bin ich dieser Körper, noch gehört er mir.
Jenseits von allem Egoismus bin ich ewiges Bewußtsein.
Wahrlich, dies war meine Bindung, daß ich der körperlichen Existenz anhaftete.

 

Oh! In mir, dem grenzenlosen Ozean, erheben sich im Sturm die Wellen in Form von unzähligen Welten verschiedenster Erscheinung.
Legt sich in mir der Sturm der Gedanken auf dem unergründlichen Ozean,
dann verschwindet das geisterhafte Boot mit dem unglücklichen Händler, dieses nie zufriedene Geschöpf.

 

Oh Wunder! In mir, dem großen unergründlichen Ozean, erheben sich all die Wellen der Geschöpfe,
schlagen aneinander, spielen und verschwinden wieder auf wunderbare Weise.

 

3.
Die Prüfung der Selbsterkenntnis

 

Ashtavakra sprach:

Dein Wesen als das Eine unzerstörbare Selbst erkannt, wie kannst du, oh Weiser, nach der Selbsterkenntnis noch irgendetwas ansammeln wollen?
Mein Schüler! Das Begehren von Dingen, die in ihrer Erscheinung Illusion sind,
entsteht aus der Unkenntnis vom Selbst, so wie man ein Stück Perlmutter aus Unwissenheit als Silber begehrt.

 

Hast du dich als das Selbst erkannt, worin diese Welt erscheint, wie die Wellen im Ozean, warum läufst du noch wie ein Bedürftiger umher?
Hast du vom Selbst gehört, das reines Bewußtsein und höher als alles Schöne ist, warum bist du noch unrein und ein Sklave der Begierde?
Merkwürdig wäre es, wenn sogar im Weisen, der das Selbst in allen Wesen sieht und alles im Selbst, noch ein Rest von „Mein und Dein“ sein könnte!
Merkwürdig wäre es, wenn einer beständig in der Höchsten Einheit verweilt, sich zur Erlösung neigt, aber noch der Begierde und den Sinnesfreuden unterliegen würde!
Merkwürdig wäre es, wenn der Weise den großen Feind der tiefgründigen Weisheit kennt, aber am Lebensende noch an Sinnesgenüssen anhaften würde!
Merkwürdig wäre es, wenn einer, der frei von allen Erscheinungen dieser und kommender Welten ist,
der alles Vergängliche durchschaut und sich zur Erlösung neigt, noch Angst hat, im Nichts zu vergehen!

 

Geliebt oder verschmäht, den Weisen, der mit kontrolliertem Geist überall sein Selbst sieht, wird weder Freude noch Ärger davontragen.
Wenn dein Körper genauso gut wie jeder andere handelt, wie könnte eine so große Seele noch durch Lob oder Kritik verwirrt werden?
Die Welt als Illusion erkannt, jegliche Wissbegierde überwunden, wie könnte der Selbstkontrollierte sich ängstigen, selbst wenn der Tod naht?
Womit wäre diese große Seele noch vergleichbar, die wunschlos, jenseits aller Wünsche und zufrieden in der Selbstverwirklichung ist?
Der Selbstkontrollierte, der die Nichtigkeit aller Erscheinungen erkennt, was sollte er noch erreichen oder vermeiden wollen?
Wer alle innere Unreinheit abgewaschen hat und jenseits aller Gegensätzlichkeit über jede Hoffnung erhaben ist,
der empfindet die Sinneserfahrungen in ihrem natürlichen Lauf weder begehrend noch ablehnend.

 

4.
Das Lob der Selbsterkenntnis

 

König Janak sprach:
Oh Freude! Unvergleichlich ist der Weise, der sein Selbst kennt und in der Welt der Sinne spielt,
wo unzählige Lasttiere ans Joch der Welt angespannt werden.
Obwohl der Jnani darin verweilt, wonach sich Indra und andere Götter vergebens sehnen, bleibt er gelassen.
Denn Tugend und Sünde berühren nicht das Selbst von ihm, der es wahrlich kennt,
so wie der Himmel nicht vom aufsteigenden Rauch berührt wird, obwohl es so scheint.
Wer sollte jene große Seele von spontaner Bewegung zurückhalten, die erkannt hat, daß alles das alleinige Selbst ist?
In der Welt der vielfältigen Geschöpfe, zwischen Brahma und dem kleinsten Grashalm, hat nur die Selbsterkenntnis die Kraft,
dem Genuß und dem Leiden tiefgründig zu entsagen.
Vielleicht einer unter Tausenden erkennt das Selbst frei von Gegensätzlichkeit als den alleinigen Herrn der Welt.
Dann handelt er spontan durch den Impuls des Karmas, das bereits angesammelt wurde, um Früchte zu tragen, doch allseits frei von egozentrischer Angst.

 

5.
Das Verschmelzen im Selbst

 

Ashtavakra sprach:
Ohne jegliche Anhaftung, was ist noch dein?
Vollkommen rein, was möchtest du noch abstreifen?
Verschmelze die Vielfalt der Welt zur Einheit und alles „Mein und Dein“ im Selbst!
Die Welt erscheint in dir wie Schaum auf dem Ozean. Erkenne das Selbst als Einheit und gehe zum Verschmelzen!
Die Wirklichkeit der Sinneswelt ist eine Erscheinung in dir, Oh Geläuterter,
wie eine gefährliche Schlange aus einem Stück Seil erscheint, so finde Verschmelzen im Selbst!
Vollkommen der Gleiche in Freude und Leid, in Hoffnung und Enttäuschung, im Leben und Sterben.
So gehe zum Verschmelzen im Selbst!

 

6.
Kein Entstehen, kein Vergehen im Selbst

 

König Janak sprach:
Ich bin grenzenlos wie der Raum, während die Welt wie ein Topf ist.
Dies ist Erkenntnis, wahrhaft und sicher.
Da ist kein Gewinnen, kein Verlieren, kein Vergehen.
Ich bin der große Ozean, in dem die Welt wie eine Welle ist.
Dies ist Erkenntnis, wahrhaft und sicher. Da ist kein Gewinnen, kein Verlieren, kein Vergehen.
Ich bin wie Perlmutt, das in der Welt als Silber wahrgenommen wird.
Dies ist Erkenntnis, wahrhaft und sicher. Da ist kein Gewinnen, kein Verlieren, kein Vergehen.
Ich bin in allen Wesen, und alle Wesen sind in mir.
Dies ist Erkenntnis, wahrhaft und sicher.
Da ist kein Gewinnen, kein Verlieren, kein Vergehen.

 

7.
Das lebendige Selbst

 

König Janak sprach:
In mir, dem grenzenlosen Ozean, wird das Boot der Welt vom Wind des Geistes hin und hergetrieben.
Doch mich ergreift es nicht.
In mir, dem grenzenlosen Ozean, mögen die Wellen der Welt von selbst aufsteigen oder fallen.
Ich leide dadurch weder unter Wachstum noch Verfall.
In mir, dem grenzenlosen Ozean, mag die Welt erscheinen.
Still und formlos bin Ich.
Darin allein ist Verweilen.

 

Das Selbst ist keine Erscheinung, noch ist eine Erscheinung das, was unbegrenzt und vollkommen rein ist.
So von Anhaftung befreit, begierdelos und zufrieden, verweile ich im Selbst.
Oh! Ich bin das ewige Bewußtsein.
Mögen die begeisterten Spieler das Schauspiel der Welt aufführen.
Gab es hier jemals wahren Gewinn oder Verlust?

 

8.
Das Wesen von Befreiung und Bindung

 

König Janak sprach:

Bindung ist, wenn man irgendetwas begehrt oder haßt, verneint oder bejaht, ergreift oder abwehrt,
und von Gefühlen der Freude oder des Leidens davongetragen wird.
Befreiung ist, wenn man Begierde und Haß, Unwissenheit, Ergreifen und Abwehren, Freude und Leid überwunden hat.
Bindung ist, wenn das Bewußtsein irgendeiner Ansicht oder besonderen Umständen verhaftet ist.
Befreiung ist ein Bewußtsein jenseits aller Anhaftung.
Ohne „Ich“ ist Befreiung. Wo das „Ich“ wirkt, ist Bindung.
Mit dieser Erkenntnis schwindet beides, das Begehren und das Hassen im Leben.

 

9.
Von der Entsagung

 

Ashtavakra sprach:
Irgendetwas getan und nicht getan, alle Teile und ihre Gegenteile,
wann kommen sie wem zur Ruhe? Erkenne dies und durch gleichmütige Entsagung überwinde jegliche Anhaftung.
Wo ist der glückliche Mensch, dem im begeisterten Taumel des Schauspiels der Welt die Begierden des Lebens, Sinnesgenuß und Wissensdurst zur Ruhe kamen?
Vergänglich ist all das, durchtränkt vom dreifachen Leiden (Geburt, Alter und Tod), ohne wahre Substanz, voller Makel und nicht des Festhaltens wert.
Dies erkannt, geht man zum Frieden.
Was ist Zeit, was ist Alter, wenn es keine Gegensätze mehr gibt?
Alle Gegensätze überwunden und handelnd wie es sein soll, erreicht man Vollkommenheit.
Umfangreich sind die Lehren der großen Weisen, Heiligen und Yogis. Sie durchschauend und Entsagung übend,
welcher Mensch würde nicht zum Frieden finden?
Wer durch Entsagung und Gelassenheit das ewige Bewußtsein vollkommen verwirklicht hat,
wird von selbst ein ausgezeichneter Lehrer zum Segen der Welt.
Sobald du tiefgründig erkennst, daß die Vielfalt der Welt eine Gestaltung dessen ist,
was ihr zugrunde liegt, verweilst du im gleichen Moment, frei von Bindung, in dem, was du schon immer bist.
Die Welt ist nichts anderes als Gestaltung.
Durchschaue sie! 

 

 

10.
Von der Zufriedenheit

 

Ashtavakra sprach:
Zuerst der sinnlichen Liebe (Kama) entsagt, diesem größten Feind, dann allem leidvollen Streben nach weltlichem Gewinn (Artha),
und schließlich sogar der Pflichterfüllung (Dharma), die das Fundament der beiden ersteren ist, überwinde alle Anhaftung und sei allseits zufrieden.
Erkenne Freunde, Nationalität, Reichtümer, Häuser, Ehefrauen und Wohlstand
wie Erscheinungen in einem Traum oder in einem Gaukelspiel, nur für kurze Zeit beständig.
Erkenne, daß die Welten dort entstehen, wo Begehren ist. Überwinde tiefgründig die Anhaftung, sei zufrieden und selig!
Bindung besteht nur im Begehren, ohne Begierde ist Freiheit.
Ein Loslassen der Erscheinungen führt allmählich zur Zufriedenheit und schließlich zur Selbstverwirklichung.
Du bist das eine, ewigreine Bewußtsein. Ist dieses Auge nur halb geöffnet, erscheint die Illusion der Welt mit ihren zweifelhaften Wahrheiten.
Welcher Wissensdurst könnte noch sein, wenn dieses Auge ganz geöffnet ist?
Königreiche, Kinder, Ehefrauen, Körper und Vergnügungen sind dir alle wieder verloren gegangen,
Geburt auf Geburt, sogar als du ihnen fest verhaftet warst.
Genug nun der Begierde, dem Gewinn und der Pflichterfüllung (Kama, Artha und Dharma).
In keinem von diesen findest du Zufriedenheit im Dschungel der Welten.
Hast du nicht in so vielen Geburten schon mühe- und hoffnungsvolle Werke mit Körper, Rede und Denken geleistet,
die schließlich doch nur das weltliche Leiden vermehrten? Entsage nun dem begehrlichen Handeln und sei zufrieden!

 

11.
Von den Weisheiten

 

Ashtavakra sprach:

„Geburt und Tod mit ihren Zwischenstufen ist die Natur aller Erscheinungen.“
Mit dieser Weisheit, tiefgründig und unverwirrt, verliert man die Todesangst und findet Frieden.
„Alles ist gottgeschaffen, es gibt nichts außerhalb und nichts innerhalb.“
Mit dieser Weisheit beruhigen sich die Begierden, und wenn die Anhaftung schwindet, findet man Frieden.
 „Gewinnen und Verlieren sind die ewigen Wellen des Schicksals in der Welt.“
Mit dieser Weisheit zufrieden und alle Sinne gezügelt, erlischt das Begehren, und nichts kann dich noch betrüben.
„Freude und Leiden, Geburt und Tod, entfalten sich aufgrund des Karmas.“
Mit dieser Weisheit und der Gewißheit, daß man einmal angesammeltes Karma nicht mehr ändern kann,
sondern ertragen muß, geht man gelassener durchs Leben und meidet neue Schuld im Handeln.
„Angst allein ist die Quelle aller Sorgen, nichts anderes.“
Mit dieser Weisheit über Angst und Glück findet man Frieden und wird frei von allen Anhaftungen.
„Ich bin weder dieser Körper, noch ist dieser Körper mein. Ich bin ewigreines Bewußtsein.“
Mit dieser Weisheit gelangt man zur Einheit und hört auf darüber nachzudenken, was in Zukunft alles noch zu tun oder zu lassen wäre.
„Von Brahma bis zum kleinsten Grashalm bin Ich allein.“
Diese Weisheit befreit von allen widerstreitenden Gedanken.
Rein und zufrieden verweilt man, jenseits von Erreichen und Nichterreichen.
„Diese vielfältige und wundervolle Welt ist wie ein Traum nur relativ wahr.“
Diese Weisheit befreit von Begierde und erstarrten Ansichten. So findet man bald Frieden.

 

 

12.
Vom Verweilen

 

König Janak sprach:
Zuerst löste sich das Begehren nach körperlicher Betätigung, dann nach langen Diskussionen
und schließlich auch nach dem endlosen Spiel der Gedanken.
So verweile ich nun hier.
Weil mich die Sinneseindrücke nicht mehr davontragen, und weil das Selbst kein Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung ist,
so wurde das Denken frei von Zerstreuung, achtsam und im Einen gesammelt.
So verweile ich nun hier.
Alle Übungen zur Sammlung sind ein Ausgleich zur Ablenkung durch weltliche Erscheinungen.
Dies erkannt, verweile ich nun hier.
Es gibt nichts mehr zu verlieren oder zu gewinnen, keine Euphorie und kein Leiden,
oh Kenner Brahmans, so verweile ich nun.
Ob weltliche Pflichterfüllung oder Weltflucht, ob geistige Betätigung oder völliges Schweigen,
all dies als vielfältige Ablenkung durchschaut, verweile ich nun im Selbst.
So habe ich das absichtsvolle Handeln und Nichthandeln gleichermaßen als Unwissenheit durchschaut, und verweile nun hier.
Solange das Denken von der Selbsterkenntnis abgelenkt ist, dreht man sich immer nur um seine eigenen Gedanken.
Alle Ansichten und Konzepte aufgegeben, verweile ich nun hier.
Wer das vollbringt, hat alles erreicht, was zu erreichen ist.
Was wäre über ein solches Wesen noch zu sagen?